Aus der Chronik der
Vom Ursprung des Schützenwesens
Die Anfänge des Schützenwesens in Lieberhausen verlieren sich in das Dunkel der Vergangenheit. Wir wissen nicht, wann hier mit dem Vogelschießen begonnen wurde. Keine Chronik berichtet über den Verlauf der ersten Schützenfeste. Niemand kennt die Namen der ersten Schützenkönige. Dennoch — wenn uns auch Daten und Namen fehlen, so können wir doch versuchen, an Hand alter Chroniken und Urkunden dem Ursprung der hiesigen Schützentradition nachzugehen.
Erstmals erwähnt wird das Lieberhäuser Vogelschießen im Jahre 1732 in einer Klageschrift des Gummersbacher Presbyteriums (wir kommen weiter unten darauf noch zurück).
Darin heißt es „ . . haben einige freche Jungen in Lieberhausen wiederum (auf den Vogel) geschossen. . .“
Schon aus dem Wörtchen »wiederum« geht hervor, dass hier schon weit früher Schützenfest gefeiert wurde. Ein weiterer Beleg für die weiter zurückreichende Schützentradition ist der heute noch gebräuchliche Flurname »Auf der Vogelrute«, wo noch bis 1923 das Vogelschießen stattfand. Dieser Flurname erscheint bereits in Dokumenten weit vor 1732. Wir gehen sicher nicht fehl in der Annahme, dass das Schützenfest zu feiern hier ebenso lange Brauch ist wie bei den alten Nachbarvereinen Bergneustadt, Gummersbach, Müllenbach und Valbert.
Sinn und Ursprung der alten deutschen Schützenherrlichkeit wird uns ziemlich deutlich, wenn wir der Geschichte der Bergneustädter Schützen nachgehen. Schon im dortigen Stadtrecht des Jahres 1330 steht zu lesen: »so weme dar ein herwede (Erbe zu-) gefallen, die dar binnen wone (wohnen), die wappene (Waffen), die zu der Zinnen (Verteidigung) gehöret, die sali hei dar enbinnen (d.h. in der Stadt) laisen.« Die Bürger waren also bewaffnet und wurden zur Verteidigung ihrer Stadt herangezogen. Bereits 1353 gab es in der »Nyestaad« eine besondere »Schützengilde«, die stets aus 30 der angesehensten Bürger bestand. Ihr anzugehören galt allgemein als besondere Ehre. Sie hat auch erfolgreich ihre Stadt gegen feindlichen Ansturm verteidigt.
Wie die Feste Neustadt konnten auch kleinere ländliche Siedlungen während der oft turbulenten Zeiten des Mittelalters einen ständigen Selbstschutz nicht entbehren. Die damals gerade hierzulande oft recht verwickelten, um nicht zu sagen verworrenen Rechts- und Machtverhältnisse gaben den Bewohnern der Dörfer und Höfe keine Sicherheit wie etwa die von Mauern umgürteten und durch ein festgefügtes Zunftwesen geordneten Städte. Rückte der Feind an — und die Marodeure, Strauchdiebe und ähnliches Gelichter waren meist noch schlimmer und gefährlicher als die wilde Soldateska der Landsknechtshaufen — dann mußten Mißgabel, Lanze, Streitaxt, Armbrust oder Hakenbüchse bereitstehen, dann mußten sich alle wehrfähigen Männer geschlossen einsetzen. Ihre Schlagkraft und ihre Erfolgsmöglichkeiten bei der Verteidigung bedingten eine gewisse Übung im Waffenhandwerk unter einheitlichem Kommando. Was lag nun näher, als daß die Bauernwehr — ähnlich wie die Bürgerwehr in der Stadt — gewissermaßen als Lohn für die ständige freiwillige Dienstleistung einmal im Jahr ein frohes Fest veranstaltete, dessen Höhepunkt der friedliche Wettstreit in der ansonsten mörderischen Schießkunst war.
Dann kam der unselige Dreißigjährige Krieg, von dem bald auch unsere Heimat heimgesucht wurde. Es wird von plündernden Landsknechtshorden berichtet, die 1629 unser Kirchspiel durchstreiften, so daß die Bewohner entlegener Höfe nur »in Trupps, mit Spieß und Feuerrohr bewaffnet«, zum Gottesdienst nach Lieberhausen kommen konnten. Diese Nachricht ist eine erste (wenn auch wage) Kunde vom Vorhandensein einer Bauernwehr auch in unserem Kirchspiel, wie sie in den benachbarten Bauerschaften schon zu früheren Zeiten nachgewiesen werden konnten. Wir erfahren nun, daß auch unsere Bauern sich zum Zwecke der Selbstverteidigung zusammenschlossen und Gewehre besaßen, mit denen umzugehen sie gelernt haben müssen. Nach frohem Feste feiern wird allerdings den Menschen in diesen schrecklichen Kriegszeiten sicher nicht zumute gewesen sein.
Als aber 1648 endlich die Friedensglocken das Ende des langen mörderischen Krieges verkünden und allmählich wieder Ruhe und geordnete Verhältnisse einziehen, erinnert man sich allenthalben wieder des einstigen Vogelschießens und des damit verbundenen Volksfestes. Die alten Bräuche leben wieder auf. Ja, die Bevölkerung scheint nach all den Not- und Hungerjahren geradezu von einer förmlichen Lebensgier erfaßt zu sein. Man läßt sich keine Gelegenheit zu oft recht ausgelassenen Feiern entgehen. Wir sehen das an zahlreichen Familienfesten, angefangen bei den dreitägigen Kindtaufen bis hin zu den schwelgerischen Leichenfeiern, besonders aber bei dem »unheimlichen, übermäßigen Fressen und Saufen, Schwelgen und Dämmen« auf den Hochzeitsfesten, gegen die kirchliche und weltliche Stellen vorgehen, allerdings mit nur geringem Erfolg.
So wie bei solchen Familienfeiern geht es auch bei kirchlichen und weltlichen Festen (z. B. beim Osterfeuer oder beim »Bohnenfuch«) oft wenig gesittet zu, und die jungen Leute sollen dabei vielfach »allerlei Leckerei« getrieben haben.
Verwilderungen
Welche Ausmaße die Verwilderungen zuweilen annehmen, geht aus einer Klage des Gummersbacher Pfarrers Joh. Leopold Torley aus dem Jahre 1732 über die Erscheinungen beim dortigen Vogelschießen hervor, in der es u. a. heißt:
»Wie dann die jungen Leute in Gummersbach vor 60, 70 und mehr Jahren, als man nach dem 30jährigen Kriege den lieben Frieden einige Zeit wieder genossen, aus Ueppigkeit ein solch Vogelschießen wiederum dergestalt ausgeübet, daß sie einen König unter sich ausgeworfen und demselben allerlei Hofbediente, Richter, Scheffen und Befehlshaber, Boten und Schergen zugeordnet, welche gewisse Grundsätze promulgirt (verkündet), eine ungeheure Braubüdde mit Wasser ins Feld gestellt, und wann jemand von den Jungen und zu ihren dazu invitirten (eingeladenen) Liebhaberinnen und jungen Mädchen gedachte Gesetze übertreten, haben sie darüber Gericht gehalten und Jungen und Mädchen in die Braubüdde ins Wasser geworfen und an den Füßen wieder herausgezogen .. wobei sie Tag und Nacht gefressen, zuweilen 2 bis 3 Tage damit continuirt, des folgenden Sonntags den Vogelkönig in einem besonderen Aufzuge mit einem von allerhand farbigen Plümagen (Federn) besteckten weißen Zuckerhut zur Kirche geführt. Nach dem Gottesdienst hat dieser König in einem dazu bestimmten Saufhause mit seinen Hofbedienten sich wiederum stellen müssen, da es wieder ans Schwelgen und Banquetiren den lieben Sonntag und des Nachts hindurch frisch losgegangen, die gröbsten Untaten, Schlägereien auf Mord und Tod ... andrer garstiger Begebenheiten zu schweigen.«
Dies ist - wohlgemerkt - der Auszug aus einer Klageschrift, die der Gummersbacher Kirchenvorstand verfaßte mit dem Ziel, ein Verbot des Vogelschießens durch die weltliche Obrigkeit zu erwirken. Es ist also naturgemäß nicht unbedingt alles objektiv dargestellt, vielmehr scheint eine Reihe von zum Teil viele Jahre zurückliegenden Einzelfällen zusammengefaßt und aufgebauscht worden zu sein. Derartige Vorfälle, wie sie sich ja immer und überall einmal ereignen, konnten dem Verfasser, der natürlich nicht dabei gewesen war, nur vom Hörensagen bekannt sein. Manches mag dabei kräftig übertrieben oder gar verzerrt worden sein. Doch die Schilderung ist recht anschaulich und außerdem recht geschickt. Und das es damals recht derb zugegangen ist und das man das Fest mit handfester Fröhlichkeit und wohl auch übermütig gefeiert hat, dass es ferner schon immer Leute gegeben hat, die bei solchen Gelegenheiten leicht ein wenig aus der Rolle fallen, leuchtet ohne weiteres ein.
Die wiederholten Klagen, denen sich der ganze Landeskirchenvorstand anschloß, haben am Ende den erhofften Erfolg, und die Fürstin von Schwarzenberg, die im fernen Wien residiert, entschließt sich, dem ständigen Drängen der Schützenfestgegner nachzugeben und das Vogelschießen mit Dekret vom 27. Febr. 1734 »bei schwerer Strafe« zu verbieten, obgleich der Oberamtmann Kopp der Herrschaft Gimborn-Neustadt den Schützen treu zur Seite steht.
Von den frechen Jungen in Lieberhausen
Die Klageschrift des Gummersbacher Kirchenvorstandes ist für uns nicht nur deswegen interessant, weil wir hier — wenn auch recht einseitig und in sehr abfälliger Weise — etwas erfahren über den Ablauf damaliger Schützenfeste, wie es ähnlich auch hier bei uns gefeiert worden sein könnte.
Für die Lieberhäuser Schützen aber hat dieses Dokument darüber hinaus noch eine besondere Bedeutung. Denn wie am Anfang bereits erwähnt, wird darin zum erstenmal das Vogelschießen in Lieberhausen ausdrücklich erwähnt. Es heißt da wörtlich: »So haben auch einige freche Jungen in Lieberhausen wiederum geschossen, nachdem es daselbst 7 Jahre aufgehört hatte.« Wir sind nun nicht mehr auf Vermutungen, Rückschlüsse oder Vergleiche angewiesen, vielmehr wird klar und eindeutig festgestellt, daß in eben diesem Jahre 1732 in Lieberhausen ein Vogelschießen stattgefunden hat, und zwar nicht zum erstenmal, sondern auch schon in früheren Zeiten. Und wenn heute der Schützenverein Lieberhausen diese Jahreszahl 1732 seinem Vereinsnamen angefügt hat, so hat dies durchaus seine Berechtigung, wenn es sich auch nicht um das Jahr der »Gründung«, sondern das seiner ersten Erwähnung handelt.
Nach dem Verbot des Vogelschießens
Wie wir vorhin sahen, werden 1734 die Schützenfeste in unserem Lande streng untersagt. Genutzt hat das Verbot auf die Dauer nicht. Altüberliefertes Brauchtum und tiefverwurzelter Schützengeist lassen sich nicht durch obrigkeitliche Erlasse unterdrücken und ersticken. Wann hierzulande wieder mit dem Vogelschießen begonnen worden ist, wissen wir nicht. Wahrscheinlich hat man schon recht bald wieder damit angefangen. Freilich wird es in den Aufzeichnungen der Chronisten des ausgehenden 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts nicht erwähnt, während z. B. verschiedentlich von »Kirmessen« die Rede ist. Das ist aber nicht allzu verwunderlich, denn gerade in jenen Jahrzehnten gibt es wichtigere Dinge, die man niederschreibt und der Nachwelt überliefert: Revolution in Frankreich, Einfall der Franzosen, neue staatliche Ordnung, Befreiungskriege usw. Während der Franzosenzeit 1806 bis 1813 und in den nachfolgenden Kriegs- und Hungerjahren wird das Volksfest aber nicht gefeiert. Dazu sind die Zeiten nicht angetan. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, daß das Vogelschießen nie so lange ausgesetzt hat, daß es ganz aus dem Bewußtsein und aus der Erinnerung verschwindet, sondern eine jede Generation kann den alten Brauch miterleben und an die nachfolgende weitergeben.
Unter Preußens Herrschaft
Durch den Wiener Kongreß 1815 werden die Oberberger preußische Untertanen. Und der Staat Preußen kümmert sich um sehr viele Angelegenheiten, die der früheren Obrigkeit keinerlei Kopfschmerzen bereitete, also auch um das Vereinswesen. Dieses Preußen sieht nicht mehr so sorglos lächelnd zu, wenn in den neugewonnenen rheinischen Provinzen nach altem Brauch Schützengilden und Schützengesellschaften in Waffen umherspazieren, sich im »Kriegshandwerk« üben, nach der Scheibe oder dem Vogel schießen und fröhliche Feste veranstalten. Die Regierung verbietet es zwar nicht, aber sie verlangt die Aufstellung genauer Statuten, von deren Genehmigung dann die offizielle Anerkennung abhängig ist. In der Zeit der Demagogenverfolgungen und dann wieder, als nach dem Revolutionsjahr 1848 die Reaktion die Herrschaft zurückgewinnt, ist man in Preußen gegenüber allen Vereinigungen, und seien sie noch so harmlos, recht mißtrauisch; es ist daher erklärlich, wenn in fast allen Vereinssatzungen, die in jener Zeit aufgestellt und den Behörden zur Genehmigung vorgelegt werden, nachdrücklich die Harmlosigkeit des betreffenden Vereins — seien es Turn-, Gesang- oder Schützenvereine — betont wird.
Die Statuten von 1855
Auch in Lieberhausen beschließen im Juli 1855 107 Schützen ein Statut, das wie folgt beginnt:
»Gesellige Unterhaltung und unschuldige Vergnügungen im Kreise guter Freunde verträgt sich mit der Feier des Sonn- und Feiertages und wird der Genuß um
so mehr erhöht, wenn Eintracht herrscht. Dies erkennt unser Verein als Grundzweck an. Da wir nun unsere zum Scheiben- oder Vogelschießen bestimmten Zusammenkünfte freundschaftlicher Unterhaltung zu widmen gedenken, so wird jedem Mitgliede ein solcher Grad von Bildung vorausgesetzt, dass keine besonderen Regeln zur Erhaltung eines anständigen Benehmens aufgestellt zu werden brauchen. Kein anderer als der gesellschaftliche und gefällige Ton darf vorherrschend sein, und jedes Mitglied muß es sich zur strengen Pflicht machen, zur Aufrechterhaltung der gegenseitigen Achtung beizutragen ...«
Ferner ist es in diesem Statut den Schützen untersagt, im Zuge in weißer Hose und Kittel zu erscheinen. Als Abzeichen trägt der Schütze ein »Hörnchen« an der Kappe, welches 1883 durch eine umkränzte Scheibe mit gekreuzten Gewehren ersetzt wird; heute tragen die Schützen beide Abzeichen an der Schützenmütze.
Die damalige Bedeutung der Lieberhäuser Schützengesellschaft mag eine landrätliche Statistik des Jahres 1863 zeigen. In diesem Jahre gibt es im Kreise Gummersbach 6 Schützenvereine, nämlich
Die Schützengesellschaft Lieberhausen ist also der an Mitgliedern zweitstärkste Verein des ganzen Kreises.
Unsere Fahnen
1871 schaffen sich die Lieberhäuser Schützen eine Fahne an. Auf dem bedruckten Tuch sieht man unterhalb des Namens »Schützengesellschaft zu Lieberhausen« den preußischen Adler, sitzend auf einer Schießscheibe; das Ganze ist umkränzt von Eichenlaub. Diese Fahne wird bis 1960 dem Schützenzuge vorangetragen. Dann aber ist das Tuch so zerfallen, dass es nicht mehr repariert werden kann. Die Fahne kommt in eine Plastikhülle und wird auf diese Weise bis heute verwahrt.
Restauriert 2001 und im Stadtarchiv archiviert.
1905 beschaffen sich die Schützen zum 50jährigen Bestehen der Schützengesellschaft bei einer Bonner Fahnenfabrik eine neue Fahne zum Preise von 253,40 Mark. Auf der grünen Vorderseite befindet sich zwischen dem gestickten Namen »Schützengesellschaft Lieberhausen« eine Schießscheibe, dazu die Jahreszahlen »1855« und »1905«. Die Rückseite aus hellem Stoff zeigt in einem Eichenlaubkranz die Germania, dazu die Worte »Sich’res Auge, feste Hand, und ein Herz für’s Vaterland«. Diese Fahne ist 1971 von einer Stuttgarter Fahnenfabrik restauriert worden.
Lieberhäuser Schützenfeste um die Jahrhundertwende
Lange Jahre, seit etwa 1860 bis 1908, wird die Musik zum Lieberhäuser Schützenfest regelmäßig der Kapelle Ochel aus Binsenhöh*) gegen ein Entgelt von 187,50 Mark übertragen. Von diesem Betrag erhalten die 12 Musiker je 15 Mark, der Trommler aber, der beim Tanz am Abend nicht benötigt wird, nur die Hälfte, nämlich 7,50 Mark.
*) »Binsenhöh« war ein alleinstehendes Gehöft ca. 50 m von Schusterburg in Richtung Lieberhausen. Es brannte 1906 ab, gerüchteweise durch Brandstiftung, die aber nicht nachgewiesen werden konnte.
Den Königsvogel besorgt viele Jahre lang Christian Lenz aus Lieberhausen. Schon Wochen vor dem Fest sucht er in Hecken und an Waldrändern nach einem geeigneten Baumstuken, den er dann nach Feierabend vor seiner Haustür zurechtschnitzt. Der fertige Vogel wird auf einer Eisenplatte befestigt. Die Schützen haben später oft große Mühe, den Vogel von der Stange, der sogenannten »Vogelrute«, herunterzuschießen. Besonders hartnäckig hält sich meist die Eisenplatte, die auch herunter musste.
Das Königspaar fährt in früherer Zeit auf einem schön geschmückten einspännigen Leiterwagen im Festzug mit. Diese »Staatskarosse« wird 1890 durch einen zweispännigen Landauer ersetzt.
Krammarkt
Während des Schützenfestes findet auf dem Kirchplatz ein Krammarkt oder »Kirmes« statt. Es ist nicht bekannt, seit wann dieser Jahrmarkt stattfindet und ob er von Anfang an mit dem Schützenfest verbunden ist. Für die ländliche Bevölkerung bietet er eine willkommene Gelegenheit, für Haus und Hof einzukaufen.
Erläuterungen zu »Marktbeschickung vor 1914«:
Stände:
seit 1910 Paul (Lantenbach)
Die Buden der Händler haben Jahr für Jahr den gleichen Standort, den um die Jahrhundertwende der Polizeidiener Escher aus Wörde zu Beginn der Schützenfestwoche festlegt (siehe Skizze!). Wenn er die Pflöcke mit den daraufgekritzelten Namen der Marktbeschicker auf dem Kirchplatz einschlägt, steht die Dorfjugend aufmerksam beobachtend um ihn herum. Für sie ist diese amtliche Tätigkeit ein wichtiges Ereignis, ist es für sie doch der Auftakt des Schützenfestes, und Befriedigung erfüllt sie, wenn sie an Hand der unlesbaren, aber doch wohlbekannten Kritzelzeichen des Polizeidieners feststellt, daß die altgewohnten Händler wieder erscheinen werden.
Die Reihe der Stände eröffnet eine Verlosungsbude (1) vor der Hecke der Dißmannschen Gaststätte (heute Reinhold), bei der es herrliche Wundertüten zu gewinnen gibt. Daneben hat der Bäcker Nickemann (2) vom Hackenberg seinen Stand mit frischen Backwaren. Rosbach (3) aus Bergneustadt schließt sich an mit soliden Haushaltswaren aller Art wie Eßbestecke, Taschenmesser, große und kleine Peitschen, Besen, Mundharmonikas, Spielsachen und vieles andere. Vor der Schule wird allerlei billiger Kirmesramsch (4) feilgeboten. Daneben rattert unaufhörlich ein Glücksrad (5). Unter den Linden neben der Schule hat der Bäckermeister Spahn (6) aus Bergneustadt seinen Stammplatz mit allerlei Kirmesgebäck. Ein kleiner Stand (7) mit Windrädchen, Trillerpfeifen, Federpüscheln usw. trennt ihn von seinem Bäckerkollegen und Konkurrenten Theodor Busch, später Schürmann (8) aus Lieberhausen. Wer statt mit Kuchen und süßem Backwerk seinen Hunger lieber mit etwas Handfesterem stillen möchte, kann nebenan beim Metzgermeister Bisterfeld (9) aus Lieberhausen belegte Brötchen bekommen. Den Schluß der Reihe bildet etwa dort, wo heute die Litfaßsäule steht, der »Billige Jakob« (10), der mit gewaltigem Stimmaufwand und unzähligen Späßen seine Waren anpreist (Hosenträger, Knöpfe, Schnürsenkel, Bleistifte, Haarschleifen u. v. a.). Vor Busch’s Laube ist eine Bude mit Zuckerwaren und Süßigkeiten aufgeschlagen (11), und in der Ecke am Lehrerhaus neben dem Transformatorenhäuschen hat ein Photograf seinen Stand (13), von dem man sich »abnehmen« lassen kann; das kleine Bild in Groschengröße ist auf Blechgrund als Anstecknadel gefertigt, man kann es fix und fertig gleich an den Anzug stecken. Vor der Hecke des Lehrerhauses schließlich befindet sich die ständig umlagerte Schießbude (14). Das traditionelle Pferdekarussell (12) hat seinen angestammten Platz vor dem Hause Busch. 2 Pfennige kostet den Kindern eine Fahrt »an der Stange« (d. h. im Stehen), 5 Pf. der Ritt auf einem Pferdchen. Unermüdlich drehen Adolf Klingelnberg aus Lieberhausen oder Wilhelm Weyland aus Pingelnsiepen (oberhalb Sundhellen) die Karussell-Orgel, deren Musik dem ganzen Kirmesbetrieb erst die richtige Atmosphäre verleihen. Vermutlich kam das erste Karussell aus Köln durch Vermittlung der nach dort verheirateten Mimi Ochel aus Binsenhöh. Es wird in den 90er Jahren abgelöst durch ein anderes der Familie Krämer aus Rebbelroth, die es etwa 1910 an Willi Paul aus Lantenbach verkaufen.
Vor dem Schützenfest bewegt die Kinder immer wieder die bange Frage: »Ob wohl das Karussell auch kommt?« Doch wenn Rodtmann und Köhler ihre Pferde gemeinsam den »Polizeiweg« hinunterführen, ist die Freude groß, denn dann weiß man: Die Karussellwagen warten bereits unten an der Koversteiner Mühle auf den Vorspann. Und schon bald sieht man die Gespanne, die unter anfeuernden Rufen und lautem Peitschenknallen die schweren Wagen den »Polizeiweg« mühsam heraufziehen.
Auf der Vogelrute
Doch nicht nur auf dem Marktplatz, auch auf der Vogelrute geht es während des Festes lustig zu. Hier haben in jährlichem Wechsel die Wirte Klein und Dißmann ihr Bierzelt aufgeschlagen. Das an vielen Stellen eingerissene Zelttuch liefern die Brauereien, die Stangen und Bretter für Zeltgerüst, Tische und Bänke stellen die Wirte. Meist aber sind die Bretter in den beiden vorhergehenden Jahren irgendwie zweckentfremdet verbraucht worden, und dann werden kurz vor dem Fest schnell neue geschnitten. Wer Bescheid weiß, legt sich darum vor dem Niedersetzen eine Zeitung unter. Doch nicht jeder kennt die Heimtücken frischgeschnittener Fichtenbretter. und so sieht man hinterher manch helles Sommerkleid oder dunklen Feiertagsanzug mit frischen klebrigen Harzflecken auf der Kehrseite.
Besonders fröhlich geht es auf der Vogelrute nach dem Königsschuß am Montagnachmittag zu. Dann spielt die Kapelle zur Polonäse auf, und über das glatte Gras zwischen den Ginsterbüschen wirbeln die Tanzpaare. Diesem Brauch verdankt die damals in weitem Umkreis gebräuchliche Redensart »Auf dem Lieberhäuser Schützenfest tanzt man in den Ginstern« ihren Ursprung.
Zwischen Markt und Vogelrute wandert den ganzen Tag über ein nicht endender Strom von Besuchern hin und her, und Trölersch Willem, der am Ortsausgang unermüdlich seine Drehorgel dreht, kann wohl mit seinen Einnahmen zufrieden sein.
Landrätliche Störversuche
1910 versucht der Landrat, den Gemeinderat zur Aufhebung des Krammarktes zu bewegen. (Seine Gründe sind aus vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich.) Der Gemeinderat jedoch lehnt das Ansinnen einmütig ab mit der Begründung, der althergebrachte Krammarkt sei für die ortsansässigen Bäcker und Händler von besonderer Bedeutung. Einem erneuten Vorstoß des Landrats im Jahre 1914 entspricht der Gemeinderat nur insofern, als er die Verlegung des Marktes auf den 2. Montag nach dem 3. August vorschlägt. Der Kriegsausbruch macht dann aber eine endgültige Regelung überflüssig.
Das Festprogramm
Der offizielle Verlauf des Schützenfestes hat sich im Grunde bis heute kaum verändert. Am Samstagabend verkünden drei Böllerschüsse die kommenden Festtage. Böllermeister ist um die Jahrhundertwende Ernst Rockenberg aus Wörde, später Gottlieb Hinkelmann
Böllermeister
Wilhelm Hinkelmann (1926)
aus Lieberhausen, den in den 20er Jahren Wilhelm Hinkelmann aus Pustenbach ablöst. Als Anerkennung für ihre Dienste erhalten die Böllermeister eine Flasche Schnaps, die aber für die Festtage selten ausreicht. Geböllert wird aus kurzen dickwandigen Rohren, die hinten geschlossen sind und hier ein kleines Zündloch besitzen. In das Rohr wird von vorn eine Pulverladung gestopft, die durch das Zündloch mit einer glühenden Eisenstange entzündet wird. Geböllert wird auch am Sonntagmorgen und am Montag nach dem Königsschuß. Dann liegt die Stange in einem Feuer bereit, um sogleich den gelungenen Königsschuß zu verkünden. Einmal aber schleichen sich zwei Lausejungen, die Brüder Paul und Walter, von dem eingenickten Böllermeister unbemerkt, an das Feuer heran und — pinkeln in die Glut, so dass sie erlischt. Die Worte des Böllermeisters, als kurz darauf der Vogel fällt und er sich auf so schändliche Weise an der Erfüllung seiner Pflicht gehindert sieht, können hier nicht wiedergegeben werden.
Bis 1896 wird am Vorabend des Schützenfestes auf dem Kirchplatz der »Große Zapfenstreich« gespielt. Seitdem beginnt das Fest erst am Sonntagvormittag. Erst 1969 wird der Samstagabend mit einem Kommers wieder in das Fest einbezogen.
Am Morgen des 2. Augustsonntags versammeln sich die Schützen wieder auf dem Kirchplatz, um ihren König abzuholen. Dem Festzug vorauf marschieren der Polizeidiener und der Landgendarm. Letzterer wird für die beiden Festtage aus Derschlag nach hier abkommandiert, um dem Polizeidiener zur Seite zu stehen, falls ein polizeiliches Einschreiten einmal notwendig werden sollte. Dieser Gendarm mit Pickelhaube und breitem Schleppsäbel flößt den Kindern immer einen besonderen Respekt ein.
Der Hauptmann (35 Jahre lang, von 1899 -1934, ist dies Fritz Klever aus Piene) reitet zu Pferde, das gewöhnlich der Fuhrunternehmer Otto Köhler aus Lieberhausen zur Verfügung stellt. Das Pferd aber ist nicht an die Marschmusik gewöhnt, so daß es oft scheut, und so heißt es dann manches Mal: »Der Klever ist schon wieder vom Pferd gefallen.«
Die Schützen tragen zum Zivilanzug grüne Schützenmützen. Vorweg marschieren diejenigen, die Gewehre mit sich führen, in deren Mündungen sie Blumen stecken. Die übrigen Schützen schultern statt dessen Stöcke, an deren Enden Blumensträußchen gebunden sind.
Der Schützenkönig bewirtet in seiner Residenz seine Gäste mit Freibier und belegten Broten. Als Zeichen seiner Würde trägt er auch damals schon das Efeulaub um die Schützenmütze und breite Epauletten auf den Schultern. Eine Königskette dagegen wird erst 1939 angeschaft (siehe weiter hinten!).
Vom Frühschoppen brechen die Schützen so frühzeitig auf, daß sie vor Beginn des Gottesdienstes wieder in Lieberhausen sind.
Der Festzug am Nachmittag durch das Dorf endet auf der Vogelrute, wo Preisschießen und Sternschießen stattfinden. Am Abend marschieren die Schützen geschlossen wieder in das Dorf zurück, wo in den Sälen Klein, Hensgen und Dißmann das Tanzbein geschwungen wird. Die Musikkapelle wird zu diesem Zweck auf die drei Säle verteilt. Der Saal von »Hensgens Oma«, der im 1. Stock liegt, muß vorher durch Balken vom darunterliegenden Stall aus abgestützt werden, da er nach baupolizeilicher Feststellung sonst den Belastungen nicht gewachsen ist. Für die Musik müssen die Wirte eine Sonderprämie von je 10 Mark in die Schützenkasse zahlen. Ein paarmal hat Hensgens Oma die Zahlung verweigert, und dann ist ihr kurzerhand die Musik entzogen worden. Im Saale Am- rhein (heute Wirtschaftsgebäude der Handlung Hombruch) wird nicht gefeiert; die Amrheins stehen sich wirtschaftlich so gut, daß sie sich den mit dem Tanzvergnügen verbundenen Mühen nicht unterziehen brauchen.
Am Montagvormittag bleibt es allenthalben still. Erst am Nachmittag formiert sich der Schützenzug wieder und marschiert hinauf zur Vogelrute, wo das Königsvogelschießen seinen Anfang nimmt.
Die feierliche Königskrönung am Abend, die im allgemeinen der Geschäftsführer unter den traditionellen Klängen des Chorals
Geschäftsführer unter den traditionellen Klängen des Chorals »Tochter Zion, freue dich« vornimmt, ist schon immer in weitem Umkreis als besonders eindrucksvoll gerühmt worden. Nach der Krönung hält der neue König seine Antrittsrede. Doch nicht jedem kommen die Worte dabei glatt vom Munde, und so warten die Zuhörer gespannt darauf, daß der Redner in seiner Aufregung stecken bleibt oder einen bemerkenswerten Ausspruch tut, der dann als »geflügeltes Wort« ein ganzes Jahr lang in der Gemeinde lebendig bleibt, bis er bei der nächsten Krönung durch einen neuen Ausspruch ersetzt wird. Besonders lang hat man sich an die Worte eines Königs erinnert: »Mein Onkel Christian hat gesagt: Schieß den Vogel! Aber es ist nicht so leicht, den Vogel zu schießen!« Die aufgeregte Majestät wiederholt diese denkwürdige Feststellung viermal, so daß sich die Worte den Zuhörern fest einprägen, und ein Jahr lang heißt es bei einer etwas schwierigen Arbeit immer wieder: »Ja, ja, es ist nicht so leicht, den Vogel zu schießen!«
Nach der Krönung geleitet der Schützenzug die neuen Majestäten ins Dorf hinab, wo das Fest ausklingt mit frohem Tanz auf den Sälen bis in den grauenden Morgen hinein.
Organisation der Gesellschaft
Als sich die Lieberhäuser Schützen 1855 eine Satzung geben, schließen sie sich zusammen zu einer »Gesellschaft«, deren einziger Zweck das Feiern des Schützenfestes ist. Hierzu wählen sie zu Beginn eines jeden Jahres einen Vorstand, der das Fest vorzubereiten und zu organisieren hat. Bald nach dem Fest wird eine Abrechnungsversammlung einberufen, in der der Vorstand Rechenschaft über seine Tätigkeit ablegt. Danach löst sich die Gesellschaft auf, um sich im nächsten Jahr von neuem zu bilden und einen neuen Vorstand zu wählen (es ist meist der alte!).
Zu den Versammlungen lädt der Polizeidiener die Schützen ein, wofür er eine Entschädigung von 50 Pf. erhält. —
Zwischen den Weltkriegen
Als nach dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gattin am 28. Juni 1914 in Sarajewo dunkle Kriegswolken drohend heraufziehen, beschließen die Schützen, ihr Schützenfest dennoch in gewohnter Weise zu feiern. Als dann aber am 1. August der Krieg ausbricht, werden alle weiteren Vorbereitungen eingestellt. Auch in den nachfolgenden Jahren fallen die Schützenfeste natürlich aus.
Erst 1921 kommen die Schützen wieder zusammen und beschließen, das Schützenfest in gewohnter Weise zu feiern. Doch die Wirte verlangen Weinzwang für die Festtage, worauf die Schützen sich nicht einlassen wollen. Da keine Einigung erzielt wird, gehen sie auseinander mit dem Beschluß, in diesem Jahre kein Schützenfest zu feiern.
Im nächsten Jahr ergreift aber der Gemeinderat unter Bürgermeister Brockmeier die Initiative, so daß 1922 das erste Schützenfest nach dem Kriege in althergebrachter Weise gefeiert wird. Als besonderes Zugmittel zum Besuch des Festes wird ein lebendes Kalb als 1. Preis zum Preisschießen gestiftet.
1923 erreicht die Inflation in Deutschland ihren Höhepunkt. Der Mitgliedsbeitrag für die Schützen beträgt jetzt 25.000 Mark bis 200.000 Mark. Schützenkönig wird in diesem Jahre Wilhelm Rei- ninghaus aus Drieberhausen. Am Tage nach dem Fest lädt der neue König seinen Hofstaat zu einer Nachfeier in das Lokal Albert Lenz in Niederrengse ein, wobei der Weinkeller vollständig geleert wird. Reininghaus begleicht seine Schulden mit einem Scheck über 36.000.000 Mark. Als der Wirt wenige Tage später für diesen Betrag seinen Weinkeller wieder auffüllen will, erhält er hierfür nur noch eine einzige neue Flasche!
Von 1927 an finden alle Veranstaltungen des Schützenfestes einschließlich des Kirmesbetriebes und des Vogelschießens auf der Rosenthaler Höhe statt. Hier hat der damals sehr rührige Turnverein Lieberhausen neben dem Schießstand der Schützen eine Turnhalle errichtet. Bei ihrem Bau haben auch die Schützen tatkräftig mit angepackt; darüber hinaus unterstützt die Schützengesellschaft den Turnverein finanziell erheblich durch die Gewährung eines beträchtlichen Teiles des Reingewinns bei den Schützenfesten 1926 - 1929 als Beihilfe (bis zu 9/io des Überschusses!). In der neuen Halle können nun alle Schützen das Schützenfest gemeinsam feiern und brauchen sich nicht mehr auf die verschiedenen Säle des Dorfes verteilen. Nach dem letzten Kriege allerdings wird die Halle, die inzwischen in den Besitz der Gemeinde übergegangen ist, durch den Einbau von Wohnungen für Heimatvertriebene so verkleinert, daß ihre Fläche für die Festveranstaltungen nicht mehr ausreicht. Man behilft sich zunächst, indem man Theke und Tanzboden unter einer Zeltplane draußen vor den Eingang aufbaut. Seit 1951 wird ein großes Festzelt angemietet, in dem der Verein in den ersten Jahren seinen eigenen Tanzboden verlegt. Später sind die Zelte ganz gedielt.
Im Jahre 1930 feiern die Schützen das 75jährige Bestehen ihrer Gesellschaft (als Gründungsjahr betrachtet man das Jahr 1855, in dem die Statuten beschlossen worden waren) in gebührender Weise, obgleich der langjährige Vorsitzende Fritz Klever unter Hinweis auf die Notlage in großen Teilen der Bevölkerung hiervon dringend abgeraten hat. Auch 1931, als die Arbeitslosigkeit weiter gestiegen ist und schwere Sorge viele Familien bedrückt, wird der Vorschlag des Vorsitzenden, in Anbetracht der Notzeiten das Schützenfest nur am Sonntag in kleinem Rahmen zu feiern, von der Mehrheit entschieden abgelehnt. Als Klever, der seit langem arbeitslos ist, sein Amt zur Verfügung stellen will, erstattet die Versammlung ihm eine Reihe von Mitgliedsbeiträgen, woraufhin Klever sich nochmals für den Vorsitz zur Verfügung stellt - wenn auch nur sehr widerstrebend. Doch bei dem Fest erleben die Schützen einen großen Mißerfolg, die Not ist zu sehr gewachsen, so dass es allenthalben an Lust oder Geld zum Feste feiern fehlt.
Doch die Schützen wollen im nächsten Jahr 1932 trotz der bösen Erfahrungen des Vorjahres nicht ganz auf ihr Schützenfest verzichten; sie sehen sich nun aber schweren Herzens gezwungen, das übliche Festprogramm wesentlich zu kürzen. Sie beschränken sich neben dem Vogelschießen auf ein Preisschießen mit bescheidenen Preisen und einen gemütlichen Schützenabend am 2. Augustsonntag, wogegen am Montag in diesem Jahr nicht gefeiert wird.
1933 droht das Schützenfest zunächst gar ganz auszufallen, da sich auf der ersten Generalversammlung niemand dazu bereitfindet, das Amt des Vorsitzenden und das des Geschäftsführers zu übernehmen. (Der Vorstand mußte ja jedes Jahr neu gewählt werden!) Erst in einer erneut einberufenen Versammlung regt sich der alte Schützengeist; für den Vorsitz stellt sich noch einmal Fritz Klever zur Verfügung, dem - wie schon früher - der Amts Obersekretär Heinrich Klein als Geschäftsführer zur Seite tritt. So kann das Fest wie in alter Weise gefeiert werden. Auch 1934 bleibt Klever noch, dann aber tritt er endgültig ab. Seit 1899 hat er sich in selbstloser Weise in den Dienst der Gesellschaft gestellt und sich um die Erhaltung und Entwicklung der alten Schützentradition große Verdienste erworben.
Ab 1935 wechseln die Vorsitzenden - sie heißen nun »Vereinsführer« - häufiger. Zunächst übernimmt dieses Amt Robert Schorre, den noch im gleichen Jahr Wilhelm Reininghaus ablöst. 1936/37 wird die Gesellschaft von Hermann Bühner geführt, 1938/39 und dann wieder nach dem Krieg 1949 von Paul Deckert, 1950/51 von Hugo Köster. Dann übernimmt Paul Busch für viele Jahre die Vereinsführung.
Traditionsbewußtsein gegen Parteibevormundung
1935 muß die Gesellschaft, dem Gleichschaltungsbestreben der damaligen Machthaber folgend, dem Deutschen Schützenbund, einer Untergliederung des NS-Reichsbundes für Leibesübungen, beitreten und sich dessen Satzung zu eigen machen. Aus Gründen der Wehrertüchtigung sind die Nationalsozialisten sehr interessiert an den Schießübungen, die nun, da der eigene Schießstand bei der Turnhalle den Sicherheitsbestimmungen nicht mehr genügt, auf dem des Kriegervereins »Kyffhäuser« unterhalb von Rosenthal stattfinden.
Besonderer Wert wird auf die Förderung des Nachwuchses gelegt, weshalb ab 1936 auch ein Prinzregent ausgeschossen wird. Dieser erhält einen Orden und schreitet stolz mit dem König die Front der Schützen ab. Nach dem Krieg wird dieser Brauch aber nicht wieder aufgenommen.
In den Jahren vor dem Kriege versuchen die damaligen Machthaber in steigendem Maße, Einfluß auf das Vereinswesen zu gewinnen. Doch die Lieberhäuser Schützen wehren sich entschieden gegen derartige Versuche. Als ihnen vom Deutschen Schützenbund Einheitsrichtlinien für das Schießen zur Beschlußfassung vorgelegt werden, lehnen sie diese rundweg ab mit der Begründung, die altehrwürdige Tradition der Väter bewahren zu wollen.
Auch bei anderer Gelegenheit zeigen die Lieberhäuser, daß sie nicht gewillt sind, an der alten Überlieferung rütteln zu lassen. So mokieren sich einige Parteifunktionäre darüber, daß in Lieberhausen während der Krönungszeremonie ein Choral gespielt wird; auch die Parteipresse spöttelt darüber. Doch die Lieberhäuser lassen sich ihre Krönungshymne nicht nehmen und halten, allen Ermahnungen zum Trotz, hartnäckig daran fest. —
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Unsere Königskette
Im Jahre 1939, kurz vor dem Kriege, wird eine neue Königskette beschafft, die am Schützenfestmorgen der stellvertretende Vereinsführer Hermann Bühner dem amtierenden König und Vereinsführer Paul Deckert feierlich umhängt. An diese Kette heftet jeder der nachfolgenden Schützenkönige eine Silbermünze, in deren Rückseite sein Name und das Jahr seiner Regentschaft eingraviert werden. Durch die ständig hinzukommenden Münzen wird zwar die Kette immer wertvoller, aber auch immer schwerer; schließlich kann es dem König nicht mehr zugemutet werden, sie ständig zu tragen, und so wird 1972 eine neue Königskette beschafft. Die alte Kette, an die die Könige weiterhin ihre Münzen hängen, kommt in den Schrank des Vereins.
Im August 1939 wird trotz der sich drohend abzeichnenden Kriegsgefahr das Schützenfest noch einmal in alter Weise gefeiert. Während des Krieges ruht dann das Vereinsleben. Und nach dem Kriege verwehren die Besatzungsmächte zunächst allen Schützenvereinen jegliche Betätigung, weil sie in ihnen militaristische Organisationen vermuten. Es bedarf großer Überredungskunst, bis sich die Besatzungsmächte von der Harmlosigkeit unseres Schützenwesens überzeugen lassen.
Wiederaufleben der Schützentradition 1949
Sogleich nach Wiederzulassung der Schützengesellschaft sammelt Paul Deckert, der letzte Vorkriegsvorsitzende, mit großem Eifer und idealistischem Schwung wieder die Schützen, so daß hier schon 1949 eines der ersten Schützenfeste im Oberbergischen gefeiert werden kann. Da der letzte Vorkriegskönig Willi Lohmar aus Drieberhausen inzwischen verstorben ist, wird am Sonntagmorgen ein neuer König ausgeschossen. Der Königsschuß gelingt Willi Lohmars Sohn Bernd, der sogleich von dem damaligen Gemeindedirektor Weiß inthronisiert wird. Sein Nachfolger wird am Montag Fritz Rath vom Hellberg, einem eifrigen Förderer der Schützengemeinschaft, dem am Montagabend Bürgermeister Harry Haase und der 1. Vorsitzende gemeinsam die Königsinsignien überreichen.
Seit Errichtung der Turnhalle in den 20er Jahren wird in ihr das Schützenfest gefeiert. Nach dem Kriege, als es gilt, den vielen Heimatvertriebenen aus dem Osten ein Obdach zu gewähren, wird ein Teil der Halle als Wohnraum abgeteilt. Da der Saal nun als Festraum nicht mehr ausreicht, werden Theke und Tanzboden draußen vor der Tür unter einer Plane aufgebaut. Dieses Provisorium erweist sich aber bald als recht unvollkommen, so daß ab 1951 auf dem Platz vor der Halle ein großes Festzelt aufgeschlagen wird. In den ersten Jahren fehlt darin der Fußboden; nur der Tanzboden der Schützen wird darin verlegt. Dem Festwirt steht der Waschraum des »Waldheims«, wie die Turnhalle damals genannt wird, als Küche zur Verfügung.
Von der Schützengesellschaft zum Schützenverein
1950 legt Paul Deckert den Vorsitz nieder; er wird in Anerkennung seiner besonderen Verdienste zum Ehrenoberst ernannt. Sein Nachfolger wird Hugo Köster, den wiederum nach 2 Jahren — 1952 — Paul Busch als Vorsitzender ablöst. Nur für kurze Zeit will Busch sich für dieses Amt zur Verfügung stellen, doch behält er den Vorsitz, von den Schützen immer wieder dazu gedrängt, 17 Jahre lang bis zu seinem Tode.
Busch geht sogleich zielstrebig daran, die Gemeinschaft der Schützen neu zu organisieren. Zunächst läßt er die bisherige Schützengesellschaft in einen Verein umwandeln. Bis dahin löste sich die Gesellschaft nach Abhaltung des Schützenfestes und der nachfolgenden Abrechnungsversammlung jedes Jahr wieder auf, um sich erst im nächsten Jahr wieder erneut zu organisieren. Der Verein dagegen bleibt als feste Organisation bestehen; alle drei Jahre wählen die Schützen einen neuen Vorstand, dessen Mitglieder bis zur Neuwahl ohne Unterbrechung für den Verein tätig sind, viele von ihnen über eine lange Zeit. Busch kann sogleich einen festen Stamm zuverlässiger Mitarbeiter gewinnen; zum engeren Vorstand gehören von Anfang an Hugo Köster als 2. Vorsitzender und Fritz Schwanz als Kassierer, außerdem seit 1957 Erich Hombruch als Geschäftsführer; auch viele Mitglieder des erweiterten Vorstandes bleiben lange Jahre in Amt.
Nach der Umwandlung in einen Verein finden sich auch einige Schützen zu einer Sportschützengruppe zusammen. Als jetzt der 1924 gegründete Oberbergische Schützenbund wieder auflebt, tritt auch der Schützenverein Lieberhausen ihm sofort wieder bei.
Von Anfang an ist Busch besonders daran gelegen, die Schützen zu einer Gemeinschaft zu vereinen. Diesem Ziel dient auch seine Anregung, einheitliche Schützenröcke einzuführen. Ein Großteil der Mitglieder zögert aber zunächst noch mit der Anschaffung, denn das Geld sitzt damals noch nicht so locker. Doch als Ehrenmitglied Fritz Rath einige Röcke stiftet, die unter den Mitgliedern ausgelost werden, und als aus der Vereinskasse ein beträchtlicher Zuschuß zum Anschaffungspreis gewährt wird, wird die zaudernde Haltung der meisten überwunden. So hinterlassen schon 1953 die einheitlich gekleideten Lieberhäuser Schützen beim großen Festzug zur 600-Jahr-Feier des benachbarten Bergneustädter Schützenvereins bei den Zuschauern einen nachhaltigen Eindruck. Seit 1966 tragen die Schützen auch das Hickswappen am linken Oberarm als Zeichen ihrer Verbundenheit zu ihrer Heimat.
1952 erfährt das traditionelle Schützenfestprogramm eine wesentliche Ausweitung. Die Mitglieder der Frielingsdorfer Kapelle, die nach ihrem Einsatz am Sonntag in den Gasthäusern übernachteten, sitzen am Montagvormittag beschäftigungslos mit einigen Schützen in der Gastwirtschaft Kohl beim Frühschoppen. Man wird recht vergnügt, und auf einmal kommt jemand auf den Gedanken, das Königspaar zu holen. Schnell formiert sich ein fröhlicher Zug und marschiert mit der Musik an der Spitze zur nahegelegenen Residenz des überraschten Königspaares Fritz und Erna Schwanz, das die Schützen zum Kirchplatz geleiten, wo bis zum Mittag in ausgelassener Stimmung weitergefeiert wird. Dieser Montagsfrühschoppen hat allen Beteiligten so viel Freude bereitet, daß er im nächsten Jahr in das offizielle Programm aufgenommen wird und sich seitdem zu einem Höhepunkt des Lieberhäuser Schützenfestes entwickelt hat, zu dem sich alljährlich zahlreiche führende Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft einzufinden pflegen. Zu den regelmäßigen Gästen gehörten neben dem Bürgermeister und dem Gemeindedirektor mit den Mitgliedern der Verwaltung’), Oberkreisdirektor Dr. Goldenbogen, MdB Dr. August Dresbach, die Direktoren der Sparkasse, Mitglieder des Gemeinderats, des Kreistages und des Landtages u. v. a. Im Kreise der Schützen verleben die Gäste hier ein paar frohe Stunden der Entspannung und Erholung. In launiger Rede und Gegenrede erfreuen sie die Anwesenden, nicht zuletzt auch die Presseleute, die genüßlich manches
Bonmot aufgreifen und in ihren Organen wiederholen, wodurch sie das Lieberhäuser Schützenfest als etwas Besonderes darstellen und ihm einen unschätzbaren Dienst erweisen. Diese Ansprachen ziehen sich im Laufe der Zeit immer mehr in die Länge, so daß Busch sich genötigt sieht, die Redezeit zu beschränken. Leider sind diese Montagsfrühschoppen unter freiem Himmel immer sehr vom Wetter abhängig; bei drohendem Regen muß man in das Zelt auf der Rosenthaler Höhe flüchten, wo der Festwirt dann nicht vorbereitet ist. Schließlich wird der Frühschoppen ganz in das Zelt verlegt, doch hat er dadurch sehr an Atmosphäre verloren. —-
*) denn: »Schützenfestmontag ist laut bürgermeisterlichem 'Erlaß’ in Lieberhausen gesetzlicher Feiertag!«
An einen besonders eindrucksvollen Schützenfestabend werden sich viele unter uns noch gut erinnern: an den Großen Zapfenstreich im Jahre 1958, den der zu Gast weilende Spielmannszug aus Essen-Kray zusammen mit der Feuerwehrkapelle Bergneustadt bei Fackelschein auf dem Kirchplatz spielte; dabei wird erstmals auch unsere »Bunte Kerke« von mehreren Scheinwerfern angestrahlt. Diese Veranstaltung ist für Teilnehmer und Zuschauer ein tiefgreifendes Erlebnis und hat dem Schützenverein viele neue Freunde gewonnen. In den Vereinspapieren findet man noch manche begeisterte Zuschrift von Urlaubern, die Zeuge dieser Veranstaltung waren.
Dieses Erlebnis könnte auch den Anstoß gegeben haben für die Gründung des Fanfarenzuges im Herbst des gleichen Jahres 1958; über ihn wird weiter hinten in einem besonderen Artikel zusammenhängend berichtet.
Zwischen den Schützenfesten veranstalten die Schützen seit langem ein Tanzkränzchen am 3. Samstag im Januar, das im Waidheim stattfindet. Da in den Jahren 1960 -1968 das Gebäude als Fabrikhalle verpachtet ist und für öffentliche Veranstaltungen nicht zur Verfügung steht, finden in dieser Zeit die Winterkränzchen im Saale Hausmann in Lantenbach statt. —
Bis 1962 klingt das Schützenfest aus mit einem großartigen Feuerwerk, das auf dem dem Festplatz gegenüberliegenden Sportplatz durch den Bergneustädter Feuerwerker Röttger abgebrannt wird. Doch dann muß dieser aus Altersgründen seine Tätigkeit einstellen. Ein anderer Feuerwerker kann leider nicht gefunden werden, so daß das Lieberhäuser Schützenfest um eine Attraktion, die viele auswärtige Gäste anzog, ärmer geworden ist.
Delegiertentagung in Lieberhausen
Unter der Leitung von Paul Busch ist es gelungen, dem Schützenverein Lieberhausen eine Geltung zu verschaffen, die ihn zu den angesehensten innerhalb des Oberbergischen Schützenbundes machte. Dieser erweist dem Verein auch seine Referenz, indem er 1969 zu seiner Delegiertentagung nach Lieberhausen einlädt; dies ist jetzt möglich, weil die Gemeinde die gründlich instandgesetzte Mehrzweckhalle wieder zur Verfügung stellen kann. Diese Delegiertentagung ist die erste seit Bestehen des Schützenbundes, bei der alle angeschlossenen 33 Vereine ohne Ausnahme vertreten sind, wie Schützenpräsident Adolf Pack mit Befriedigung feststellt, und die Halle ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Lieberhäuser Schützen und ihr Vorsitzender Paul Busch aber dürfen in diesem großartigen Aufgebot sicherlich auch eine besondere Würdigung ihres Wirkens erkennen.
Diese Delegiertentagung aber ist auch die letzte große Veranstaltung, die Paul Busch organisiert. Wenige Monate später, am 26. Juni 1969, ereilte ihn ganz plötzlich der Tod. Unter großer Beteiligung weiter Bevölkerungskreise geleiten ihn die Schützen auf seinem letzten Gang. Der Oberbergische Schützenbund ehrt den Verstorbenen durch die Stiftung eines Paul-Busch-Wanderpokals, der alljährlich beim Bundesschießen der besten Altersmannschaft im Luftgewehr- und Kleinkaliberschießen verliehen wird.
Unter der Führung von Hugo Köster
17 Jahre lang hat Paul Busch dem Schützenverein vorgestanden und ihn zu einem weit über die Grenzen des Oberbergischen Kreises hinausgehenden Ansehen verholfen. Sein Tod hinterläßt eine schmerzliche Lücke. Doch sein langjähriger Vertreter Hugo Köster stellt sich sogleich für die Leitung des Vereins zur Verfügung. 11 Jahre lang, von dem einmütigen Wunsche der Schützen immer wieder bestätigt, bleibt er in seinem Amt als 1. Vorsitzender und bemüht sich nach Kräften, den Verein im Sinne seines Vorgängers weiterzuführen.
Noch im gleichen Jahr 1969 erfährt das traditionelle Schützenfestprogramm eine Erweiterung. Bis dahin feierten die Lieberhäuser nur am Sonntag und Montag, während der Samstag - einzig im Oberbergischen - ausgeklammert bleibt. Es bürgert sich aber - inoffiziell - ein, daß sich schon am Samstagabend eine große Zahl von Nachbarn und Freunden beim König einfindet, um seine Festvorbereitungen zu »begutachten«; dabei geht es oft schon recht fröhlich zu. Nun beschließen die Schützen, noch unter Paul Busch, nach dem Beispiel anderer Vereine, den Samstag in das offizielle Programm einzubeziehen und das Schützenfest mit einem Kommers am Abend zu beginnen. Dieser Kommers findet von Anfang an viel Anklang.
Nicht geringe Sorgen bereitet den Schützen die Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen für das Vogelschießen. Bisher wird der Königsvogel von einer Stange, der »Vogelrute«, geschossen, die neben der Mehrzweckhalle errichtet ist; während des Schießens werden alle Zugänge zu dem dahinterliegenden Gelände auf der Wahre durch Posten gesichert. Nun wird von den Behörden eine neue Schießanlage mit Kugelfang zwingend gefordert. Doch die Schützen wissen Rat: jemand hat von ausrangierten Hochspannungsmasten erfahren, die bei Schreibershof im Sauerland herumliegen. In einer »Nacht- und Nebelaktion« machen sich kurzerhand ein paar Schützen dorthin auf den Weg und holen, was sie für eine Schießanlage benötigen. (Später wird das »Besorgte« ordentlich bezahlt!). Das eiserne Gerüst verankern sie oberhalb des alten Sportplatzes. Daran bringen sie einen schweren Kugelfang an, der mit einer Winde hochgezogen wird; später, als elektrischer Strom zur Verfügung steht, besorgt diese nicht leichte Arbeit eine Motorwinde. Eine Kommission der Bezirksregierung in Köln, die die Sicherheit derAnlage begutachtet, beurteilt sie als einwandfrei. Eingeweiht wird diese neue Schießanlage 1972 mit dem erstmalig veranstalteten Kaiserschießen, das auf Anregung von Hugo Köster nach dem Beispiel einiger Nachbarvereine neu eingeführt wird. Hierbei schießen die ehemaligen Schützenkönige unter sich einen Kaiser aus, der dann zwei Jahre lang noch einmal den Glanz seiner einstigen Regentschaft erleben kann. Erster Schützenkaiser wird Kurt Funke, der Schützenkönig von 1953. —
Hugo Köster, Ehrenoberst
Die seit 1927 als Festplatz dienende Fläche vor der Turnhalle ist, seitdem hier das große Festzelt aufgebaut wird, reichlich beengt, zumal der Platz durch die Errichtung mehrerer Wohnhäuser verkleinert worden ist. Als daher 1976 die Feuerwehr in ihre Köhlerhütte auf der alten Vogelrute eine Stromleitung legen will, entschließen sich die Schützen, diese bis zum alten Sportplatz verlängern zu lassen. Dadurch ist es seit 1977 möglich, diesen Platz mit seiner größeren Fläche als Festplatz zu nutzen. —
Im gleiche Jahre kann Hugo Köster auf eine 50jährige Mitgliedschaft im Schützenverein zurückblicken, gleichzeitig auch auf 40 Jahre aktiver Mitarbeit im Vorstand als Kassierer, Fahnenoffizier und 2. Vorsitzender sowie als 1. Vorsitzender in den Jahren 1950/52 und wieder seit 1969. Die Schützen nehmen dieses Jubiläum zum Anlaß, ihm am Schützenfest während des Frühschoppens für seine langjährigen treuen Dienste von Herzen Dank zu sagen und überreichen ihm als erstem Mitglied den »Ehrenteller des Schützenvereins Lieberhausen«.
Im März 1979 muß die Mehrzweckhalle auf der Rosenthaler Höhe wegen Baufälligkeit geschlossen werden. Darüber herrscht große Betroffenheit bei allen örtlichen Vereinen, dies umso mehr, als auch der Saal Hausmann in Lantenbach, der einige Jahre zuvor abbrannte, nicht mehr zur Verfügung steht. Für das Vereinsleben bedeutet das Fehlen einer geeigneten Räumlichkeit in weitem Umkreis eine ganz empfindliche Behinderung aller Tätigkeit. Doch die Stadtväter haben ein Einsehen und lassen in Anerkennung der von den Lieberhäusern für die Dorfverschönerung geleistete Arbeit und unter der Voraussetzung beträchtlicher Eigenleistung an der gleichen Stelle eine neue Halle errichten. Die Erwartungen der Stadt hinsichtlich der Eigenleistungen werden mehr als erfüllt; bei den Arbeiten, die unter der Leitung des Heimatvereins durchgeführt werden, packen auch die Schützen tatkräftig mit an, so daß die neue Mehrzweckhalle schon im März 1980 im Rahmen einer kleinen Feier der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden kann.
Mit Bernd Hammerschmidt ins Jubiläumsjahr
Als im selben Frühjahr unser langjährige Vorsitzende Hugo Köster während einer Vorstandssitzung erklärt, aus Altersgründen sein Amt zur Verfügung stellen zu wollen, herrscht zunächst große Ratlosigkeit. Doch schließlich gelingt es, den noch jungen Bernd Hammerschmidt als Nachfolger zu gewinnen, der in der nachfolgenden Jahreshauptversammlung von den Schützen in dieses Amt berufen wird. Hammerschmidt aber möchte nur ungern auf die langjährige Erfahrung und den Rat seines Vorgängers verzichten, deshalb schlägt er der Versammlung die Ernennung Kösters zum Ehrenoberst mit Sitz und Stimme im Vorstand vor, was die Schützen einmütig beschließen.
Hammerschmidt sieht sich sogleich vor die schwere und umfangreiche Aufgabe gestellt, das 250jährige Vereinsjubiläum vorzubereiten und zu organisieren. Ihm zur Seite steht ein Stab jüngerer, von Idealismus erfüllter Mitarbeiter, unterstützt von dem guten Rat und der langjährigen Erfahrung älterer Schützen.
Allen Verantwortlichen und sämtlichen Mitgliedern des Schützenvereins aber ist die Verpflichtung auferlegt, unsere in 250 Jahren gewachsene Tradition lebendig zu erhalten. Bei der Schaffung der Schützengemeinschaft waren unsere Väter beseelt von hohen Idealen wie Treue zur Heimat, Vertiefung gutnachbarlicher Freundschaft und Pflege echter Kameradschaft. Uns ist es aufgetragen, unermüdlich daran zu arbeiten, daß diese Ideale gewahrt bleiben und unsere jahrhundertealte Tradition — der heutigen Zeit angepaßt — erhalten bleibt.
Gesichert wird dieser Besitz jedoch nur dann, wenn wir treu die alten Tugenden hegen und pflegen. Möge uns auch das diesjährige Jubiläumsfest auf diesem Wege weiterbringen!
Hans-Heinrich Weber
Die weitere Bearbeitung der Chronik ab dem 250-jährigen Jubiläum ist in Arbeit und wird zu gegebener Zeit hier eingefügt.
Quellenangabe: Festschrift zum 250 jährigen Jubiläum